VERSTORBENE MITGLIEDER

Mitglied suchen:

Georg Decristel

Biographie

geboren: 09.03.1937
verstorben: 19.12.1997
 


Erst spät wurde bekannt, dass im Dezember 1997 einer jener österreichischen Künstler/Dichter/Musiker gestorben ist, die mit irgendwelchen zeitgeistigen "Betrieben" /"Szenen" und deren "Betriebsamkeiten" gar nichts zu tun und doch eine wesentliche Spur gezogen haben: Georg Decristel, für den "die Pausen und Arbeiten dazwischen" mindestens genauso bedeutsam waren wie die sogenannten "Schwerpunkte" seiner Biografie, praktizierte das Sprechen durch das Brummeisen, phonetische Poesie, Wandelmaultrommeleien und Strolling Performances durch ganz Europa genauso wie die Produktion von Textobjekten, Literaturpartituren und vieles andere mehr...Georg Decristel, für den auf seine ganz eigene Art Kunst Leben und Leben Kunst war und der den Großteil seiner Arbeiten in Unikaten verschenkt. hat, ließ und lässt sich nicht einordnen...

"weg bewegen" - Eine Rezension von Helmuth Schönauer
Bücher mit CD-Beigabe genießt man sinnvollerweise mit allen Sinnen. Von der CD kommen Sphärenklänge, Schwingungen im Grundton der Erde, völlig berauschend und aus aller Schwerkraft weggetragen. Im Mittelpunkt der acht Tracks steht die Maultrommel Georg Decristels, aber eigentlich ist sie auch wieder versteckt im eigenen Klang. Und manchmal geht der Sound in Wortfetzen über, mittendrin glaubt man sogar ein Stück Alltagsabläufe in Gestalt einer Beschwörungsformel zu hören.
Die Stücke haben als Namen oft poetische Anweisungen wie "tonite it"s cold"n"chili", "working sounds working gd bologna" oder "klangstramm ... phonetic poetry ysulgwyn".
Ein Werk, das sich wie Georg Decristel ständig zwischen vage festgelegten Richtschnüren bewegt, läßt sich auch nur mit dem Gestus der weiten Handbewegung in Ausschnitten edieren. Bei einer Sitzung der Tiroler regionalgruppe der Grazer Autorenversammlung hat Georg Decristel sich einmal vorgestellt und gesagt: "Eigentlich gehöre ich nirgendwo dazu, aber ich bin eben heute hier."
Diese zurückhaltende Selbsteinschätzung gilt auch für sein Werk. Man verwendet bei der Dokumentation eher hilflos die Schlüsselbegriffe Unikat, Fluxus, Konzeptkunst, Hommage an Cage, konkrete Poesie, Performance und Tape-Arbeit.
Im Auswahlband "weg bewegen / moving away" werden die wichtigsten Arbeiten zugänglich gemacht und mit Erläuterungen und Würdigungen u.a. von Heinz Gappmayr, Heidi Grundmann, Bodo Hell, Friederike Mayröcker und Liesl Ujvary abgestützt. Die Kommentartexte sind ganz im Sinne des Autors deutsch und englisch "perforiert".
Beim Anblättern der Faksimiles tut sich sofort der Textsound der Siebziger Jahre auf. Die eng getippten "Kassettenbriefe" korrespondieren etwa mit den weiten Strichen der Harmonielehre für Brummeisen, typographisch verdichtetes Material konkreter Poesie wird von Endlosschleifen für Schwingunsdiagramme unterbrochen, und zwischendrin sind Dokumentationsfotos zu verschiedenen Performances zu sehen, oft bis an die Grenze der Erkennbarkeit aufgelöst und als Low-Pixel-Komposition angelegt.
Die Arbeit Georg Decristels ist durch diesen Auswahlband zeitlos geworden, gerade der Sound der Maultrommel auf CD verfügt über den Hauch der Unsterblichkeit, der man sich mit gebotenem Schaudern hingibt. In der Literatur geht niemand verloren, heißt es so hoffnungsvoll, und tatsächlich ist Georg Decristels vollkommen anwesend, wenn man in seinem Werk stöbert.

Helmuth Schönauer 08/07/03

Biographische Notizen, fragmentarisch ergänzt ab 1980 (T)...akustische Arbeit (tape)

1980                 USA (performances , u.a. mit Terry Fox, in New York, Chicago, San Francisco)
1982                 packed sound bologna (T)
                        1997-84 enquironment (T)
1984                 sonyadibaboralexa (gemeinsam mit Wolfgang Ernst; Freibord-trancepress Geneve-
                        atemkraft int)(u.a. T)
1985                 Wiener Festwochen, "Phonetische Poesie", "Visuelle Poesie"
                        Palais Liecht. (T)
                        linza luft, installation und performance (T)
                        moving a way. meisterkurs für brummeisen (atemkraft int)
1986                 20 jahre dann ach hafer (T)
                        salzige grüsze an mich(T)
                        gesalzene grüsze hall tirol, galerie st. barbara (T)
1988                 arcenciel phoenix, hall tirol; galerie st.barbara (T)
                        maultrommel klang sein, hall tirol, galerie st.barbara (T)
                        strolling to the sources of the river inn (maloja) z.B. EN2 (T)
Ende 1980er     Fluxeum, Wiebaden
                        Kompostierarbeiten
                        a visual sound trap for the blind + travelling sound (T)
1988                 maule mit weile (T)
                        nachtstück b3 (T)
                        traummommelreise (T)
1988-90            b hoch drei (T)
1990                 sonnenscheinseite (T)
                        schattenseinseite (T)
                        FURKART, performance with terry fox, georg decristel, michael bahn, siedelen gletscher, URI (T)
                        why don't we forget it? strolling approx.sources du Rhône at Aare (T)
                        Texte
                        rundfunk- und buchprojekt phons bakx (Niederlande)
                        niwidara & widaradamals (T)
                        maulbogensaatgut (T)
                        freie hand? piller, pitztal (T)
                        approx. pitch à (T)
                        twin play b3 played down to pitch à (T)
ab Anfang 1990er   Originalzettel
1991-94            Staubwerke im Kreis auf Filz (Durchmesser approx.147cm) (T)
1994 17.12.94   mit f.m. - nicht in kreisen staub (T)
1995                 Staubarbeit
                        das hängen lassen ist falsch oder schlecht für das kabel
                        Ah A chaos (T, evt. schon 1988)
                        zettelwerk


 

Publikationen

  • Georg Decristel: weg bewegen / moving away.

Eine Auswahl aus seinen Werken. 1 CD.

Verlag: Skarabäus, Innsbruck 2003
ISBN: 3-7082-3118-X