MITGLIEDER

Text von:
Margret Kreidl

ORANGE OHNE BLAU Nach einem Ölbild von Maria Lassnig

   Ich als Doppelkommode: schamrot, groß, sehr fest und
fleischig. Geschlecht oder Kopf? Das Herz klopft. Ich als
Sofa: die Beine sind Schrauben, der Arm ist verschoben,
der Ellbogen fehlt. Körperbewußtsein! Ich als Telefon: Kopf
und Schlinge, kadmiumgrün. Ich als Schirm: das Grau und
das Blau. Die aufgespannte Leinwand ist eine harte Unterlage.
Ich als Tisch: gebogen, gepreßt. Quadratisches Körpergefühl!
Ich als Schrank: Sack und Asche, gestapelt. Ich als Flasche:
Fast eine Pflanze. Die frische Farbe schmeckt süß. Große
Gefühlsmaschine! Ich als Staubsauger: warmrosa. Ich als
Hose: Der weiche Pinsel kitzelt. Ich als Schraubenzieher:
ausgeglühtes Grau. Die Hand ist ein Hohlzylinder. Ich als
Kochtopf: chromrotes Schlupfloch. Ich als Schneebesen:
sechs Sinne, Striche, messingfarben. Ich als Marmeladenglas:
verstreute Farbflecken. Die schwarzen Pflaumen wachsen
aus dem Glas. Ich als Zitrone: gelbe Striche, gelbe Linien.
Die Kerne sind groß. Ich als Tier: Feder und Pinsel. Das Blatt
ist voll. Der Vogel ist ausgeflogen. Ich als Wolke: sehr weiß
und ungeheuer oben. Ich als Frau: Es gibt ein Orange ohne Blau.

Quelle: Laute Paare. Szenen Bilder Listen, Edition Korrespondenzen, Wien 2002.