MITGLIEDER

Text von:
Thomas Rothschild

Von Einem, der auszog das Fürchten zu lehren (Auszug)

Ein kunstvoll gefalteter Prospekt, mit dem Caspar Einem unter den vielsagenden Schlagwörtern "Verständnis, Toleranz, Solidarität, Menschlichkeit" um Wähler geworben hat, enthält neben vier Fotoportraits ausschließlich Phrasen von einer solchen Plattheit, daß verständlich wird, warum die Arbeiter Haider wählen: Dummschwätzen kann der wirklich besser. Wie stellte Einem doch in der Presse vom 23. 10. 1999 - diesmal zutreffend - fest? "Haider gewinnt nämlich Glaubwürdigkeit dort, wo er beweisen kann, daß andere unglaubwürdig sind." Und was hat der Minister daraus gelernt? Der mehrfach variierte, in seiner poetischen Schönheit von keiner Satire eines Karl Kraus einholbare Kernsatz lautet, er, Einem, engagiere sich genau "für Menschen, die unsere gelebte Solidarität brauchen, um ein lebenswertes Leben führen zu können". (Wie mahnt doch Wolf Haas in seinem Krimi Komm süßer Tod? "Bei einem Menschen, der so gesalbt daherredet, kannst du immer davon ausgehen, daß er etwas zu verbergen hat." Haas sagt auch: "Chefleute brauchen das manchmal, daß sie ihren Sermon herunterbeten, an den sie selber nicht einmal glauben." Tja, Verbrechen und Wirklichkeitswahrnehmung sind halt nicht immer so auf Kriminalroman und reale Welt verteilt, wie es die Kunstphilosophie erwarten ließe.) Herr Einem, ich melde mich! Bitte senden Sie mir postwendend Ihre gelebte Solidarität. Das "lebenswerte Leben" hatte ich in Graz gesucht. Aber auch dort ist es leider nicht mehr so lebenswert, seit Ihre Partei dafür gesorgt hat, daß die FPÖ überproportionale Stimmengewinne einfahren konnte. Der Wahlslogan der FPÖ lautete: "Uns kommt es auf die Menschen an." Wie formuliert Einems Faltblatt doch so originell? "Weil im Mittelpunkt meines Weltbildes der Mensch steht." Er heißt Caspar Einem.

Quelle: Von Einem, der auszog das Fürchten zu lehren - Streitschrift wider einen exemplarischen Karrierepolitiker, Czernin, Wien 2001