MITGLIEDER

Text von:
Birgit Schwaner

BLUME räumt einige Dinge auf dem Tisch

BLUME räumt einige Dinge auf dem Tisch, nah am Rand, zur Seite, nimmt die Obstschale, setzt sie auf den freigewordenen Platz. Den Mond hierhin. Oder vielleicht dahin? räumt um Nein, das ist nicht romantisch. räumt alles zurück Sie ist eine romantische Person. Der Vollmond wird sie entzücken. Verrücken. Der Schädel der Nacht. Wirft liebliches Licht. Maiszinken hierhin ... Scheiblingstein da ... in einem Bogen wandert der Mond. Von Berg zu Berg. Weit über dem See. Da sitzen wir. rückt zwei Stühle nebeneinander Am besten, ich rechts von ihr. Die linke Seite der Frauen ist schwach. Etwas enger noch ... gut, sehr gut. Jetzt kann sie sich schmiegen. Sie friert so leicht. Wie ein kleiner Mops. lacht ein wenig, in Vorfreude Im Herbst sind die Abende kalt. Ich fasse sie um die Schultern, sacht - aber sicher. Und temperamentvoll, mit durchblutetem Arm. Es wird natürlich ... sehr natürlich aussehen. Äußerst. Souverän, im Schlaf geölt ... Sehen Sie den Mond, liebe Anna? werde ich sagen. Oder, knapp: Mond, Anna, Mond. Der Rhythmus wird ihr gefallen. Sie ist musikalisch ... schlägt im Rhythmus mit einem Messer gegen ein Glas Das könnte klappen. Ihre Herzklappen öffnen. Ritsch, Rutsch, und ich - jetzt bloß keine Wörter vertauschen! überlegt kurz Ach, Anna. - Ja, Ach Anna ist gut. Dann schweigen. Unbedingt schweigen. Stille. Seufzer verschluckt. Ein Mann muß schweigen. schweigt kurz, dann pathetisch, wobei er den Tisch umkreist, gehend Er, da oben, ist sehr wie ich. Hier unten. Er: in der schwarzen Luft. Ausgesetzt ... dem blanken, blakenden All. Und trotzdem, andauernd, leuchtet er. Niemand antwortet ihm. Ein einsames Schlaglicht aus ratternden Träumen. Ach, Anna. Wie die Träume rattern! Nichts als Gehirnfabriken! Muttern, Bohrknarren, Gummibuffer! Hörst du die dampfbetriebenen Sirenen, das Gluckern der Ansauge-Apparate? Anna, ein Mann ist einsam. Allein, wie der Mond in der Luft. Millionen Jahre rutscht er hin und her, auf den Schultern der Nacht, plumpt in den See, und ersäuft, ersäuft immer wieder und kann nicht sterben. Das tropfe Tier, Schädeltier ... tut, als käm es zurande, und schaukelt dabei am Rand des Ruins. Nur eine Frau, die Anna heißt, Anna - hm, der tropfende Mond bleibt abrupt stehen Solche Bilder wachsen in mir! Groß, und geschmeidig wie ... Illusionen, Rindertalg. "Blaues Ideen-Gewucher, Blume" - wird sie mich wieder loben, bestimmt. Nicht Herr, nein. Blume. Einfach Blume, ein wenig respektlos, aber ... aber doch ... beinah intim ... Wenn der Mond anspringt -. Daß ihn nur keine Wolke frißt. Kein Nebel verschluckt. Dieser weiße, kriechende Nebel, nachts über dem See. Nein, so ein Tag muß windstill sein. Höchstens ein ... Quentchen Föhn ... Wenn sie nur keine Migräne hat. Ist ja bald so empfindlich wie ich. Bald. Wenn mich nur keiner stört -. bekommt einen listigen Ausdruck Das Telefon entführe ich, schleiche mich an, mit der Hand, und schnapps. Ich zeige ihr mein Fernsehprogramm, das lenkt sie ab. Ich ziehe das Telefon hinterlistig aus ihrer Tasche. Wenn sie die Kanäle durchsucht. Um nirgendwo Lunz zu entdecken. Das weckt ihre Neugier. Sofort will sie fahren, bestimmt. Während sie den Mantel nimmt, draußen, versteck ich das Telefon ... sucht einen Platz auf dem Tisch, evtl. hebt er den Deckel einer Kaffeekanne ... hier ... soll es piepsen, so spitz es will. - Ich muß den romantischen Ausflug von hundert Seiten bedenken, planen ... jedes Detail, jedes Risiko ... jede fruchtbare Chance berechnen, zum Beispiel ... wissen wie kräftig der Wind ... den Brustflaum der Landschaft durchstreift und zerlunzt - (...)

Quelle: ...den Mond hierhin, Hörspiel, ORF 2003