MITGLIEDER

Text von:
Gerhard Naujoks

Aus „Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen“

Aus „Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen“ (Schauspiel/Hörspiel)

Chor: Grabrede auf den Hochofen der Voest

Unser Hochofen. Er war immer da für uns. Er ist wir ! Wir sind...

Angeblasen in der schlimmen Zeit, in den Hermann Göring Werken, der Größte, der größte Stahlkocher für die Rüstung, unsere Wehr mit Macht und Zwang von fremden Arbeitern aufgebaut. Auf ihn haben wir gebaut, sein Stahl unsere Panzer.

Er ist nicht gefallen als die fremden Bomben fielen.

Tief verwurzelt in der Landschaft, die für sein Werk entmenscht wurde von den Einwohnern und vollgestopft wurde mit den Arbeitern aus der Fremde und von denen aus dem einzigen Lager der Kategorie 3 im ganzen Reich.

Kategorie 3: Vernichtung durch Arbeit.

Das haben wir nicht gewusst, das werden wir nie gewusst haben können. Keinen blassen Dunst haben wir gehabt und werden wir gehabt haben.

Das kann doch nicht das Ende seiner Ofenreise sein. Das hat er nicht verdient, er durch den wir so viel verdient haben.

Aus seinem Stahl haben wir die Zukunft geschmiedet für einen neuen Staat. Er war der Kern der Gesellschaft, die sich wieder aufrappeln musste, nachdem sie fremde Horden niedergeworfen hatten. Auferstanden aus Ruiniertem.

Aber er steht wie eine Eins, der Hochofen 1.

Er steht alles durch, den Krieg, den Wiederaufbau, er ist das Wirtschaftswunder, aber dann ist seine Reise zu Ende, die Privatisierung zermürbt ihn, der Neoliberalismus gibt ihm den Rest.

Ein Symbol für vieles, was wir waren und sind.

Jetzt liegt er da am Boden zerstört wie wir. Jetzt ist er abgeblasen.