MITGLIEDER

Text von:
Irene Suchy

Textprobe

Aufschreiben geht nur im Zustand des erträglichen Schmerzes,

der Gewissheit der Bewältigung und der Notwendigkeit der Erinnerung.

Der Schmerz ist nicht mehr größer als ich, er überwältigt nicht mehr, er verhindert nicht mehr.

Aufschreiben geht erst, wenn es zu spät für das Mitleid der anderen und

Zeit für Verständnis für mich geworden ist.

 

Mitleid akzeptiert.

Verständnis relativiert.

Verzeihung ist unmöglich.

 

Das Beschreiben grenzt das Unermessliche ab.

 

Verfassen ist Erfassen.

Mit der Benennung stirbt das Benannte. Manchmal vermag der Hass darauf es noch ein Weilchen am Leben zu erhalten.

Wer benennt, spricht über Getötetes.

Das Überstandene baut auf.

 

Aus Litanei gottloser Gebete, Weitra 2013