MITGLIEDER

Text von:
Haimo L. Handl

Hamburg & Inge

Ich fliege nach Hamburg zu einem Kurzbesuch. Ich besuche eine alte Freundin. Hamburg kenne ich nicht sonderlich gut. Ich war meist nur kurz dort, hab als Junger natürlich die Reeperbahn erkundet und war enttäuscht von der dürftig-schmutzig-billigen Atmosphäre. Der Mythos hatte doch andere Erwartungen erzeugt, als die blosse Realität erfüllen konnte. Aber es war nicht weiter aufregend oder störend.
Ich erinnere mich des Semiotikkongresses, bei welchem ich trotz Grippefieber teilnahm. Damals hatte ich ein eigentümliches Erlebnis. Eine Kongressteilnehmerin hatte es mir angetan und ich ihr und wir schlürften nicht nur unseren Tee, sondern gingen dann gemeinsam ins Hotelzimmer. Ich hatte die Wirkung der stark fiebersenkenden Tabletten nicht bedacht und merkte erst später, dass meine Libido so gedämpft worden war, dass ich nicht mehr vögeln konnte und wollte. Ich hatte mich fast anstrengen müssen, sie oral zum Höhepunkt zu bringen und war, völlig verschwitzt, darniedergelegen. Das wiederum schien Jutta, so hiess die Semiotikerin, aber besonders gereizt zu haben. Sie saugte meine Achselhöhlen aus, versuchte den Schlappi hochzukriegen, verschluckte ihn fast, rieb sich meinen Schweiss ein, schmierte ihr Gesicht zwischen meinen schweissnassen Arschbacken und war ganz fertig, dass ich so nass war. Dass ich wenig aktiv sie nicht pudern konnte, störte sie nicht, da ich ja oral und manuell sie zum Höhepunkt gebracht hatte. Sie war selig, weil ich so unter ihrer Kontrolle lag. Für mich war es eigentümlich, weil ich nie zum Höhepunkt kam oder kommen konnte, trotzdem ein angenehmes Gefühl spürte.
Einige Zeit später kam sie zu mir auf Besuch und wir konnten uns dann auf der Couch wälzen, ohne dass ich irgendwelche Behinderungen spürte: kein Fieber, keine Grippe. Allerdings schwitze ich nicht und war nicht so nass, nur feucht. Aber immerhin das.
Jetzt war ich bei Inge. Inge hiess auch ein Kindermädchen, das bei meiner Schwester arbeitete und welche auf mich, den damals Vierzehnjährigen, ungeheuren Eindruck gemacht hatte: sie war eine schlanke Dänin, dir mir besondere erotische Träume erzeugte. Die hamburgische Inge war keine erotische Bekanntschaft. Wir sprachen unsere geschäftlichen Agenden durch, unterhielten uns über einiges Private. Alles ordentlich, korrekt, trocken. Auch angenehm.
Als ich zum Flughafen zurückfahre, sinniere ich über den kalten Wintertag, die rasch verfliegende Zeit, das intensive Arbeitsfrühstück, die angenehme Stimme Inges, die trotz "trockener" Beziehung mir intim familiär klingt, die aufwallenden Erinnerungen an Jutta im Hotelzimmer, die aber rasch abklingen. Es ist mehr die Verbindung mit Hamburg, der Kongress, die Jahreszeit. Ist es das? Die Musik im Taxi wird mir plötzlich zu laut. Ich ersuche den Fahrer, das Radio abzustellen. Ich höre die Geräusche der Scheibenwischer, lehne mich zurück und meine, das könnte irgendwo sein. Aber ich bin schon beim Flughafen.

Quelle: Aus: "Erinnern und vergessen". In: Grenzschreiben, Drösing 2008