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Oswald Oberhuber

Biographie

geboren: 01.02.1931 in: Merano (IT)
Oswald Oberhuber



 

Nachruf von Katharina Rustler, derstandard.at, 18.01.2020 (https://www.derstandard.at/story/2000113408177/kuenstler-oswald-oberhuber-88-jaehrig-gestorben)

Künstler Oswald Oberhuber gestorben

Der Maler, Bildhauer, Ausstellungsmacher und Ex-Rektor der Angewandten war eine der zentralen Persönlichkeiten der österreichischen Kunst nach 1945

In wilder Manier drehen sich weiße und schwarze Linien zu Spiralen und Kringeln, fahren unkontrolliert über ein Farbendickicht. Unergründlich liegt es darunter, einem Moor aus Grün und Blau gleich. An den Rändern flacht das krause Gewächs ab und hinterlässt blasse Seen, beinahe beruhigend rinnen sie in Pastellfarben aus dem Bildrand.

Geprägt von radikalen Brüchen und Stilwechseln, reicht das Lebenswerk des österreichischen Künstlers Oswald Oberhuber von informeller Plastik über skulpturale Arbeiten und Collagen bis zu realistischer Malerei. Das Credo Oberhubers als eines der wichtigsten Vertreter österreichischer Kunst seit 1945, Galerist und ehemaligen Rektors der Universität für angewandte Kunst in Wien lautete von Beginn seines Schaffens an: permanente Veränderung. Nun ist Oswald Oberhuber im Alter von 88 Jahren in Wien gestorben.

Formlos bis zum Gegenstand

Oberhuber galt als einer der ersten informellen Künstler in Österreich sowie Wegbereiter der gegenstandslosen Kunst und der lyrischen Abstraktion. Obwohl seine anfänglichen Gemälde mit jenen von Jackson Pollock verglichen werden, nannte er Max Ernst als sein wichtigstes Vorbild.

In den späten 40er-Jahren begann Oberhuber als knapp Zwanzigjähriger, jene Auflösung der Form aus seinen Malereien in Plastiken aus Draht und Gips zu übersetzen und schuf damit seine "informellen Plastiken"und "Gerümpelplastiken". So wächst ein drahtiges Geschöpf in weißem Gewand aus einem Holzbrett, scheint gerade erst zu erwachen und seine Glieder zu strecken. Ein starker Kontrast zu den postkubistischen Skulpturen der Moderne.

Zunächst lernte Oberhuber Bildhauerei an der Bundesgewerbeschule in Innsbruck, ab 1950 bei Fritz Wotruba an der Wiener Akademie der bildenden Künste sowie bei Willi Baumeister an der Staatlichen Akademie in Stuttgart.
Sprünge und Brüche

Mitte der 50er-Jahre brach Oberhuber mit seinem informellen Stil und begann, realistisch zu arbeiten: Kleine Ärmchen und Beinchen wimmeln nun auf gräulichem Grund, auf den pummeligen Körpern sitzen dicke Kinderköpfe. Manche starren aus ausdruckslosen Augen, andere lutschen Daumen, eines greift frech nach dem Betrachter. Von da an verfolgte der 1931 in Meran, Südtirol, geborene Künstler seine überraschenden Sprünge.

Er huldigte dem Slogan der "Permanenten Revolution" von Leo Trotzki und übertrug ihn auf sein künstlerisches Schaffen, wobei er jegliche Kategorisierung ablehnte. 1956 verfasste er das Manifest Permanente Veränderung in der Kunst. "Man sollte keinen Stil entwickeln, eigentlich soll jedes Bild neu sein", sagte Oberhuber. Gerne wird er als postmoderner Künstler bezeichnet.
Denker, Förderer, Vermittler

Anfang der 60er-Jahre entstanden riesige Selbstporträts, er malte sich als Kind und erwachsenen Mann, zehn Jahre später seine Schrift- und Zahlenbilder. Gemeinsam mit Hans Hollein bespielte Oberhuber 1972 den österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig, nahm zweimal an der Documenta teil. Zuerst wurde er als Berater der Galerie nächst St. Stephan von Otto Maurer tätig, ab 1973 übernahm er die künstlerische Leitung und stellte Künstler wie Gerhard Richter und Joseph Beuys aus.

Später wurde Oberhuber Professor an der Hochschule für angewandte Kunst, danach Rektor. In dieser Funktion setzte er bis 1995 umfassende Reformen um, regte unter anderem an, den Oskar-Kokoschka-Preis einzuführen, und gründete die Studienrichtung "Visuelle Mediengestaltung". Im Jahr 2000 wurde er wegen widmungswidriger Verwendung von Stipendiengeldern verurteilt. Einen weiteren Makel in seiner Vita markierte der jahrelange Streit um angeblich als echt erklärte Fälschungen Joseph Beuys, der bis vors Oberste Gericht ging.

Neue Formen, neue Stile

Vier Jahre später erhielt Oberhuber das Österreichische Ehrenkreuz. Seine Arbeiten wurden in mehr als 150 Ausstellungen gezeigt, darunter in der Secession und im Belvedere 21, wo erst 2016 eine umfassende Retrospektive zu Oberhuber stattfand und Werke aus all seinen Schaffensphasen vereint wurden. "Du bekommst irgendwann eine Routine und weißt, wie es wird. Sobald ich die gespürt habe, ist mir langweilig geworden", so Oberhuber über seinen dem Wandel unterworfenen Werk. Später kamen Installationen, Möbel und sogar Mode hinzu. Sein kontrastierender Stil wurde deutlich und formte sich schließlich zu seinem eigenen.

Dürre Flamingobeine scheinen sich zu heben und zu senken, auf grellgelbem Hintergrund haben sie sich zu einem Tanz getroffen, einem letzten. (Katharina Rustler, 17.1.2020)