MITGLIEDER

Text von:
Irene Wondratsch

nocturno

anfangsnächtlich seufze ich, krieche in mein bettennest kikakuschelwohlig. irgendwann kommt jeder nach hause und ein schiff wird schwommen in meinen betthafen und anlegen. lieg ich schifflos schlaflos bis dahin, saug an meinem polsterzipfel, zähl tapetenschäfchenwolken: simundächtzig, achtundwachtzig, neunundneinnein...
weiternächtlich flehe ich: morpheus erbarme dich und flehe und weine. in den schlaf will ich mich weinen aber kommt nur greinen. ich stopf mir korken in die ohren. oh wär ich nie geboren und wenn, als korkeich bloß!
mitternächtlich stöhne ich und wälze mich begraben unter decken zentnerschwer, bleiwolken dräuen, sinken gnadenlos. kein schiff wird kommen, nur ein torpedo und mich versenken in der barentssee zwanzigbrausend meilen tief allschwarz und kaltkalt.
endnächtlich treibt mein wasserleichfrau oberflächlich. oh wäre ich wie ophelia, bleich und schön, ophelila oder schilfgrün. jetzt nur nicht tauchen, gebiet ich mir, sinken verbiet ich mir. ich armes welsches leichi bin müde vom ersaufen, so müde, doch wachen muss ich auf.
schnell die black and decker angesetzt und löcher gebohrt ins bett, die tapete von den wänden gefetzt, blut muss fließen aus dem weißen kalk, die wolken, diese wölfe im schafspelz hingeschlachtet und ausgeweidet, dem morpheus ein dampfend leberopfer dargebracht eh der osthimmel fahlt und ich blecke meine zähne wenn ich in den spiegel gähne und nolens volens blendamedent lächle aurorawärts ö-3geweckert.