MITGLIEDER

Text von:
Renate Silberer

Nach den Automaten (Auszug)

Sommer in der Stadt, auch in Flip Flops ist es kaum auszuhalten auf dem Asphalt, bald werde ich dich im Kaffeehaus treffen, und während ich auf dem Weg zu dir bin, sehe ich die Menschen auf der Straße mit ihren vor Neid ergrauten Gesichtern, ihren Geradeausblicken über den violetten Augenringen, und beinahe vergesse ich, was ich vorhatte, ist so leicht, sich zu verlieren in dem Gewühl unter den Reklametafeln und der immer gleichen Kaufhausmusik.
Ach, gäbe es doch mehr Tiere in der Stadt, Chamäleons meine ich oder Flamingos und da fällt mir ein, dass vor ein paar Tagen ein Marder an deinen Autokabeln nagte, es war in einem der Außenbezirke, als du die Vitrine aus dem Trödelladen abholen wolltest. Die angenagten Kabeln störten dich nicht, der Schrank war zu groß für dein Auto, und du musstest es stehen lassen, um dir einen Transporter zu borgen, die Vitrine wolltest du unbedingt, und als ich sie sah, verstand ich, was du meintest. Und mit dem Transporter holtest du mich ab, wir fuhren samt Vitrine Richtung Hügel, reihten uns ein in den Stadtauswärtsverkehr, um uns herum all die Schnellfahrer mit ihren Roboterhänden und Hupfingern, beschlossen wir das Tempo zu reduzieren, die Fenster zu öffnen. Wir riefen hinaus, was uns einfiel, hörten nichts als Straßenlärm, teilten uns eine Zigarette. Kurz vor dem Kreisverkehr nahmst du die Nick Cave CD aus deinem Rucksack, und mit dem Ship Song im Ohr blieben wir im Kreis für drei Runden. Ich betrachtete dich aus den Augenwinkeln, fand es gut, bei dir zu sein.

Alle haben immer Alles vor Augen und keiner sieht was, sagst du, und rührst in deinem Espresso. Trinkst einen Schluck Wasser, fragst, was ist von Bedeutung, Luft oder Wald, Mehrschweinchen, Brillen, Import, Export, Gedankenautomat, Geldautomat. Atemlos ist mir zumute, sagst du vor dich hin und zu mir, siehst du, unter dem Nachbartisch schläft ein Hund.

(aus: Nach den Automaten, erschienen in kolik 66, 2015)