MITGLIEDER

Text von:
Hermann Knapp

Vom rühmlichen Ende des Fabrikarbeiters R.

...und stand plötzlich in der Küche seiner kleinen Wohnung.
Seine Frau deckte gerade den Tisch. ,,Du kommst spät heute?, sagte sie ohne ihn anzusehen.
,,Ja?, antwortete R verwirrt.
Wie war er hierher gekommen?
,,Das Essen ist gleich fertig. Du kannst dich schon hinsetzen?, sagte seine Frau.
R. ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Seinen toten Arm legte er auf den Tisch, zwischen die Teller.
Sein Frau schien es nicht zu bemerken. Sie setzte sich und begann, Suppe auszuschenken.
,,Die Kinder??, fragte R.
,,Sie schlafen?, antwortete seine Frau.
Sie vermied es, R. ins Gesicht zu sehen.
R. war klar, daß sie schon vor seinem Eintreffen vom Unfall erfahren, aber offenbar beschlossen hatte, die Sache zu ignorieren.
Seine Frau fing an, ihre Suppe zu löffeln.
R folgte ihrem Beispiel.
Aber schon nach dem ersten Schluck der heißen Brühe überkam ihn ein überwältigendes Übelkeitsgefühl, und er bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung, um nicht einfach auf den Tisch zu kotzen.
Seine Frau hatte zu Essen aufgehört und starrte nun mit leeren Augen vor sich hin.
,,Ich werde dieses Haus vermissen? - sagte sie unvermittelt.
,,Ja?, antwortete R.
Seine Frau begann zu weinen.
Dann sah sie ihm plötzlich direkt in die Augen.
,,Wie konntest du mir das antun? Wie konntest du das unseren Kindern antun??
In einem plötzlichen Wutausbruch sprang sie auf und wischte R.s Arm samt Teller und Suppe vom Tisch.
,,Nimm dieses scheußliche Ding da weg?, schrie sie.
R. schwieg.
Er wußte nicht, was er sagen sollte.
Dann stand er auf und ging zu seiner Frau, um sie mit der Linken zu umarmen und zu trösten. Doch sie wich vor ihm zurück.
Eine Weile stand R. unschlüssig da und sah sie an.
Dann zuckte er mit den Schultern, ging zum Tisch zurück und bückte sich nach seinem Arm.
Suppe vermischt mit Blut tropfte daran herab.
Als R. Richtung Kinderzimmertür schritt, zog er eine rötliche Spur über den Küchenboden.
R. warf noch einen Blick zurück. Seine Frau hatte jetzt ihr Gesicht in den Händen vergraben und weinte hemmungslos.
R. trat durch die Tür...