MITGLIEDER

Text von:
Barbara Macek

gang durch die leere

gang durch die leere.
geld ist flüssig, es dringt durch alle ritzen, las ich. ja, dachte ich, geld versickert.
nichts mehr essen, das war bloß theorie.
ich warf lebende mehlwürmer in eine pfanne mit erhitztem öl, aß sie mit salz und pfeffer. aß kakerlaken, die ich auf die gleiche weise zubereitete.
gekochte bohnen als beilage.
ich trank rum oder wein aus der doppelliterflasche.
erhielt einen schlag in die magengrube, fiel zu boden, ein tritt brach mir zwei zähne aus. blut spuckend taumelte ich durch die straßen, das grelle licht der nächtlichen sonne brannte auf meiner stirn.
rote tropfen am gehsteig, mein kopf pendelte am hals wie schlecht montiert und meine blicke kreisten unscharf vor den linkisch sich vorwärts bewegenden füßen.
[…]
später lachte ich oder glaubte zu lachen und der tod hielt mein gesicht zwischen den händen, trocknete meine heiterkeitstränen.
"ich bin ein krepierer, ein ruheständler des suizids", sagte ich zum tod, "nicht, dass ich mir das ausgesucht hätte, aber was macht es schon. was macht es, gestern der prügelnde, heute verprügelt.
vordringen in ein anderes geschlecht und vorlieben für andere körperteile entwickeln und sekunden später auf sich selbst zurückgeworfen nur noch genitalstück sein, ein schwanzwesen.
nie etwas anderes, denn existieren gilt nur gefiltert durch die augen anderer, rückgespiegelt auf die eigene netzhaut, rekodiert durch fremdes denken, fremdes hirn –"

Quelle: sehen & nicht sehen, 2006, czernin verlag