MITGLIEDER

Text von:
Andreas Tiefenbacher

Auszug aus "Der Möchtler"

Der Hans begleitete die Eltern auf den Sonntagsspaziergängen nur untern und eigentlich widerwillig, obwohl er hernach beim Mühlenwirt immer ein Kracherl bekam und eine Haustorte oder ein Paar Würstel mit Senf. Allerdings vertat ihm die Mutter jedesmal gehörig den Appetit darauf, indem sie, kaum daß die Kellnerin den Teller gebracht und vor ihm auf den Tisch gestellt hatte, dem die Farbe abblätterte, anfing zu meckern, er solle schön brav essen, damit er groß und stark wird und dem Vater helfen kann. Bei diesen Worten schien ihm, als würde sich vor seine Speiseröhre plötzlich ein Riegel schieben und der Nahrung den Weg zum Magen versperren. So schnell war auf einmal das Hungergefühl weg. Es hatte sich ja nie besonders stark in ihm bemerkbar gemacht. Der Hans mußte sich darum regelrecht bemühen und anstrengen, um es in sich zu erhalten. So schwach war es meistens, fast nicht zu spüren, als hätte sich der Liebe Gott bei seiner Erschaffung geirrt und ihm anstelle eines Menschenmagens den einer Feldmaus eingesetzt. Eine bessere Erklärung fand der Hans nicht. Darum versteifte er sich auf diese. Wie es der Zufall so wollte. Schließlich schaute er wirklich recht klein und schmächtig aus. Zu einem richtigen Buben fehlte ihm einfach das Zeug. Das sah ein jeder. Der Hans hatte gar keine Chance.
Denn wie sollte er mit Muskeln, die so weich wie Butter waren, jemals einen Zementsack heben!? Er wußte es nicht. Aber genau darauf kam es im Leben an.

Quelle: Der Möchtler, Styria, Graz - Wien - Köln 1995