MITGLIEDER

Text von:
Johannes Weinberger

Durch das Aquarium hindurch

Durch das Aquarium hindurch kann ich hellgrün gefärbte Gesichter anderer Gäste sehen, die Fische treiben an ihnen und aneinander vorbei, sehr langsam. In diesem Raum sitzt irgendwo ein Mann, den ich nicht sehen kann. Sein Lachen ist das abgehackte Zischeln einer Gartenbewässerungsanlage. Im Gegenzug lacht auch seine Begleitung, ihr Laut ist das klingelnde Säbeln eines Fechtkampfes. Im Fleisch über meinem rechten Wangenknochen sitzt ein sachtes Brennen, möglicherweise bin ich auf die rechte Seite meines Gesichtes gestürzt, oder gegen eine Wand, einen Türstock, eine Verkehrsschildsäule, eine Glastür, einen offenen Fensterflügel gelaufen, in Gedanken versunken. Der Kellner schaut den Schülerinnen noch nach, als sie schon längst außer Sichtweite sind. Ihr Lachen ist das rauhe Kreischen von Ferkeln gewesen. Das Lachen des Kellners ist ein murmelndes Pochen. Das Lachen der Abräumfrau ist das Klicken der Speichen eines alten Fahrrades. Das gedämpfte Klirren des Bestecks ist das Lachen des Geschäftsführers in meiner Erinnerung. An den in Frage kommenden Stellen meines Gesichts ertaste ich eine mögliche Schwellung. Der Schmerz kann durch Druckausübung nicht gesteigert werden. Das Knarzen des Leders von schwarzen Lackstiefeln, deren Schäfte aneinandergerieben werden, ist das Lachen hinter mir. Unter meinem Tisch lege ich meine Hände auf meine Knie. Das Lachen der Kinder, die sich hinter den Mänteln an der Garderobe verborgen haben, ist das Gurgeln einer zähen Flüssigkeit in einem Plastikschlauch. Das Klingeln eines altmodischen Telephons ist das Lachen der chinesischen Tierkreiszeichen auf der Speisekarte. Das Summen der Registrierkasse ist mein eigenes Lachen. Das Lachen meiner Begleitung in meiner Erinnerung ist das scharfe Knistern brennenden Menschenhaars.