MITGLIEDER

Text von:
Elisabeth Castex

STATIONEN ORTE

PARIS ... DEZEMBER

Das Überqueren der Metroschienen war relativ leicht. Ein Brennen auf den Füßen, mehr nicht. Es ist gut, im Dezember barfuß zu laufen. Der Regen wäscht die Füße rein. Der Regen ist frisch, die Kälte befreiend.

"Seems it never rains in Southern California"
War das früher oder später? Es war später. Spielt das eine Rolle? Eine kleine Rolle - alles Wichtige war schon früher - kehrte später wieder.
"Der Regen wäscht uns rein..." - Brecht, das war früher, auch in Paris. Nur das kleine Mahagonny im Theatre d l'Est Parisien, nicht eingestehen, daß ich den Unterschied zwischen dem kleinen und dem großen Mahagonny nicht kenne. In Begletung von Jean Claude.Mit oder ohne Butter, das Sandwich, fragt der kellner. Wegen der Diät, aber niemand hält Diät. Der Regen wäscht uns rein. Sonne nach dem Gewitter. O sole mio, klare Luft.
"Seems I often heard this kind of talk before..."
Während des Lehrerschikurses - Regen, regen, sogar auf den Pisten, immer dieses Lied im Kopf, schließlich die Frage an die mitschifahrende Anglistin, warum es in Kalifornien nicht regnet. Es gibt keinen besonderen Grund, ist die Antwort.
Irgendwann an einem Nachmittag oder Aben auf kassette aufgenommen, vom Radio 5 o'clock, dabei chanson von Brel überspielt: "It never rains...", eine Verheißung, wie ich glaube.
Entnommen, dem Brief eines Jugendfreundes, er unterwegs nach Amerika, als Gastprofessor, sein Vater lebt irgendwo in den USA, ein Besatzungskind: "Ich hab mein Leben an mir vorbeigelebt." In Southern California werden wir beginnen, unser Leben nicht mehr an uns vorbeizuleben. Es regnet nie. Ein Vier-Seiten-Brief, klein geschrieben, auf dünnem Papier. Meine Antwort, von Pari, später den brief verbrannt, keine Antwort mehr auf meinen Brief, noch später den brief verbrannt, eines der letzten Papiere, das verbrannt wurde. Briefe im Regen verbrennen, der das Feuer löscht, Hochzeitserinnerungen, ein Brief meines Trauzeugen, nichts weist darauf hin, er hätte sein Leben nicht auch an meiner Seite an sich vorbeigelebt, doch diese Erkenntnis erstim Sommer, alleine im Auto, auf der Rükfahrt vom Kino, nach einem Film, in dem Mutter und Tochter einander lieben: "Die Geschichte der Piera".
"Ich habe mein Leben an mir vorbeigelebt", ein Satz, der für sich alleine steht.

Quelle: Wespennest Nr. 65 (Auszug)