MITGLIEDER

Text von:
Walter Baco

Auszug aus "Charisma"

In meinem Zaubergarten fehlt nur noch der Zauber; grün ist es auch nicht. Genau besehen handelt es sich um eine Müllhalde. Halbverdaute Essenreste. Mentalabfall, seit dem Mesozoikum wurde hier nicht staubgesaugt!

Wenn wir annehmen, daß das Leben geliehen ist, dann wäre das bewußte Wahrnehmen jedes Moments die einzig legitime Rückzahlung, Tilgung jeglicher Schuld. Ansonsten heißt es Nichtgenügend und – nach buddhistischer Auffassung - zurück in die Volksschule: Kriechtier oder Einzeller. Auf jeden Fall kein Einlaß ins Nirwana, hüben wie drüben. - Ein Obstler als Bestechung für den Fährmann?

Der Verstand und der Vorstand bilden die Vorverstandenheit. Die Hin- und Niederkunft ergeben die An- und Zukunft, auch bei Zugluft. Hinz-Kunst und Kunz-Kunst verkünden die ewig elendige Hunds-Kunst. Wau!

Wir brauchen sie, die Höhenluft. Nur zu tun, wonach man Lust hat (lautet eine Devise; Hartgeld). Wer nicht gerne arbeitet, soll es bleiben lassen. Wir sind ein Bienenstaat und nähren fette Monarchen. Aus voller Kehle laut und falsch zu singen haben sie uns gelehrt.

Ich bin der Darling der freundlichen Stunden, verkomme an schwärzeren Tagen zur Fratze des Teufels (oder einer seiner niederen, bedeutungslos blasseren Kumpanen). Ich wohne neben der Autobahn, denn mein Arzt sagt, ich brauche Bewegung. Ich möchte, bitte, keinen Brillantring finden oder eine goldene Uhr – ich schwanke immer noch, ob ich ein guter Mensch bin oder ein Ganove, also schwärme ich lieber 14 Tage über die Natur.

Allseits zeigt man sich zu knausrig, sich einen Atemzug in Stille zu gönnen, so schreitet die Armut unaufhaltsam voran. Da bleibt ein offener Rest, ein unergründeter Grund, ein noch unerspürtes Sein. Eine Heimat, der wir zeitlebens entfliehen, ein Zentrum, das wir stetig umkreisen, vor dessen Strahlen der Freude wir angstvoll zurückweichen und das wir lieber fernab, in unverbindlicher Weite bezwingen würden.

Freiheit von, und Freiheit zu. Der Herr Von und Zu ist frei von und frei zu. Frei von jeglicher beschneidenden, ihn zwin­genden Form. Frei von Schuld und Angst, von Ehre und Pflicht. Frei von Vergangen­heit, frei vom eigenen Gefangenenhaus, das wir uns als Weltbild vor die Nase halten, frei von der gebieten­den Macht sich zur Regent­schaft aufplustern­der Werkzeuge, frei von mentalen Baronen und Baro­nessen, frei von Lüge und Verrat - frei zum reinen Sein.
 

Quelle: aus "Charisma", Hörbuch, Albatros Verlag 2007