MITGLIEDER

Text von:
Renate Woltron

Sitznachbarn (2016)

Eine Frau und ein Mann sitzen im Zug nebeneinander und machen sich so ihre Gedanken.

Er:      Ziemlich eng hier. Die könnten die Sitzreihen auch so bauen, dass man mehr Platz hat.
Sie:    Mensch, muss sich der Typ so breit machen?! Sogar meine Armlehne nimmt er in Anspruch. Sowas hasse ich ganz besonders!
Er:      Die riecht gut! – Gutes. Parfum. Sicher teuer. Echt erstaunlich, dass Frauen immer gut riechen. – Ich fühl mich so eingezwängt. Wird schon ganz schön warm – ich fange schon an zu schwitzen.
Sie:    Und wie der schwitzt! Warum schwitzen beleibtere Leute immer so? – Und riechen tut er auch nicht gut. – Hoffentlich lässt er nicht auch noch einen fahren.
Er:    Au! Mich drückt's. War eindeutig zu viel beim Frühstück. Aber beim Frühstücksbüffet kann man halt nicht widerstehen. – Oh! Jetzt ist es passiert! – Hoffentlich weht er nicht in ihre Richtung. – Ich tu einfach so, als wäre nichts.
Sie:    Oh nein! Jetzt hat der doch tatsächlich … ! – Das gibt's doch nicht! Warum können Männer das nie zurückhalten. – Jetzt tut er so, als wäre nichts. – Naja, vielleicht war's doch der hinter uns.
Er:    Ah, mein Handy läutet. … Hallo … ja, mache ich … sicher, auch kein Problem … ja, ja … in zwei Stunden … ja, klar … bis später. (zu ihr) Mütter!
Sie (lächelt freundlich, überdreht dann die Augen): Auch noch ein Muttersöhnchen! Hätte ich mir gleich denken können.
Er:    Jetzt denkt sie sicher, ich bin ein Muttersöhnchen. – Wenn die erst wüsste, wie meine Frau mit mir umspringt.
Sie:    Der findet sicher nie eine Frau. – Wenn ich mir vorstelle, ich hätte so einen Typen zu Hause. Ein Witz!
Er:    Wir Männer haben's echt nicht leicht im Leben!
Sie:    Wir Frauen haben's echt nicht leicht im Leben!