MITGLIEDER

Text von:
Simon Konttas

Szene

„Warum liegst du so auf der Couch herum?“,
fragt die Tochter nach dem Frühstück
ihren alten Vater,
„bist du krank? Du bist doch gar nicht krank!
Steh bitte auf, das macht
so eine negative Stimmung“, sagt sie,
die unverheiratete, kinderlose Frau,
sich erinnernd an eine unerfreuliche Epoche
ihres Lebens:
vor fünfundzwanzig Jahren,
als sie zu studieren begann
und täglich in die Stadt fahren musste …
Wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen
war sie und wusste es nicht,
als sie, von Ehrgeiz getrieben  
und ohne Freunde,
morgens im Bett lag und nicht aufstehen,
einfach nicht aufstehen konnte.
Damals lebte ihre Mutter noch
und manches war anders,
denkt sie auch jetzt,
treibt ihren Vater von der Couch
und fängt an in der kleinen Hütte am See
mit dem Geschirr zu klappern.
Holz muss sie auch noch holen,
denn Strom haben sie hier keinen.
Ein kalter Wind hat die Sonne
fortgepustet und kräuselt die Wellen.
Es ist schon neun Uhr,
denkt sie nervös,
reißt die Tür auf und beginnt die Veranda
zu kehren mit einem harten Besen,
die braunen Zweige und Tannennadeln
wegzuwischen, die in der Nacht  
der Wind auf die knarrenden
Bretter geweht hat der Hütte,
die ihre Eltern vor vierzig Jahren gebaut haben
am Ufer des Sees,
vor vierzig Jahren … denkt sie nervös.