MITGLIEDER

Text von:
Elisabeth Klar

Textprobe (Auszug aus „Wasser Atmen“, 2017)

Judith war dumm, zu glauben, dass das Wasser in ihrem Zimmer nichts zu bedeuten hätte. Sie war dumm zu glauben, dass sie sich in ihrem Bett unter ihrer Decke verkriechen würde können wie unter einem Bach. Was war mein Fehler, fragt Judith sich, und weiß doch, dass es nichts als Zufall war. Die einen fegt es weg, die anderen lässt es stehen, wieso hat sie gedacht, dass das Wasser sie stehen lassen würde? Nein, jetzt weiß Judith, wie es wirklich war. Jedes Tosen lässt sich begraben. Noyer. Lässt sich ertränken. Wo Schwachstellen sind, drückt man hinein. Noyau. Bis zum Kern. Sie legt die Hände auf die Augen, drückt auch hier hinein. Wie langsam ihre Bewegungen schon sind, am Grund des Sees. Sie macht Schritte und die Erde stäubt wie Wolken unter ihren Füßen auf, die sich nicht senken. Wenn sie sich umsieht, auf den Dächern der Steinhäuser, auf den Wänden, die Erde ist überall, tanzt durch die Luft, legt sich an die Fenster, Fensterbretter. Die Erde legt sich an die Spinnweben zwischen den Stäben der Metallzäune und färbt sie braun. Sie legt sich an die Briefkästen. Sie hebt sich von den Straßen wie Gesträuch, aber wenn man sie durchschreitet, zerstiebt sie nach allen Richtungen, formt sich neu. Wenn sie zum noyer blickt, Nussbaum, sieht sie, die Erde tanzt zwischen seinen Ästen, sie blickt hoch in den Himmel, aber die Sonne blendet sie kaum mehr, sie ist so weit weg, sie ist so gebrochen, ihr Licht über den Himmel verteilt: Sonne, deine Farbe ist ausgelaufen.