MITGLIEDER

Text von:
Barbara Aschenwald

Das Feuer von Innen

In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem es Lebewesen gab, die, so unterschiedlich sie sich ausnahmen, so verschiedene Formen, Farben, Beine oder Flügel, Tentakel oder Flimmerhärchen sie hatten, so seltsam sie sich bewegten oder sprachen, quakten, summten, flirrten und ihre Laute ins Weltall hinaussendeten wie eine Fledermaus ihre Schallwellen, wie sie sich untereinander betasteten, berochen, sich die Hand reichten, sich jagten und erlegten, wie einige von ihnen sich liebten – alle dieselbe Luft atmeten, alle sich nähren und wachsen mussten, sich verbrauchen und denen doch allen ein Leben geschenkt war auf diesem sonderbaren, blauen Gestirn. Dort, wo es in jeder Pfütze vor Leben wimmelt, wo es niemals ganz ruhig wurde, weil im Dämmerlicht eines Landes plötzlich die Kreaturen erwachten, die in einer anderen Ecke dieses Sternes schlafen gingen, gab es ein Lebewesen. Es hatte einen bestimmten Namen, auf den es hörte und eine bestimmte Sprache, die es sprach und die nicht alle Lebewesen verstehen konnten, sondern nur einige. Es war entstanden, weil die runden, hohlen Kugeln der ersten Zellkolonien wie von unsichtbaren Geisterfingern eingestülpt wurden und damit die Beseelung dieses Lebewesens im Bauch eines Größeren begann, auf das Kräfte einwirkten, die es selber nicht wahrnehmen konnte. Dieses Lebewesen atmete und sang, es hatte eine weiche Oberfläche und ein hartes Skelettgerüst mit einer Oberfläche, die Jahrhunderte überdauern kann. Es war ein Stück Raubtier in ihm, ein Stück Meer, ein Stück Pflanze und ein Stück Stein. Auch ein Stück des Himmels und wenn es starb, so wurde sein Körper wieder zur Erde. Es atmete die Luft des Himmels ein und seine Lungenbläschen, die aussahen wie kleine Bündel Trauben, brachten die Luft in sein Blut. Das war seine Verbindung zum Himmel. Sein Zahnschmelz war aus Stein und sein Blut besaß die Salinität des Meerwassers. Er hatte sogar eine innere Sonne, das war sein Herz, das Blut zirkulieren ließ und die Temperatur gleich hielt. Ebbe und Flut lagen im Atemrhythmus des Menschen, der als Wort und Sprache seinen Mund verlassen kann und mit der, anders als die Laute der  Schallblasen und Heuschreckenbeine, Sinn und Bedeutung vermittelt, gesegnet oder geflucht werden kann. Dieser Mensch hatte auch ein Bewusstseinsorgan, dessen helles Licht alles überstrahlen konnte, das es ihm sogar erlaubte, ohne Augenlicht Bilder zu malen oder ohne hören zu können den Göttern Sinfonien abzuringen. Denn der Mensch hat die tierische Angst überwunden und erfasste vor abertausenden von Jahren das Feuer aus den Scherben eines Blitzes und seither brennt es in ihm.