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Alfred Kolleritsch

Biographie

geboren: 16.02.1931 in: Brunnsee
Alfred Kolleritsch



 

Nachruf von Michael Wurmitzer auf derstandard.at:

Als Herausgeber der Literaturzeitschrift "manuskripte", Mitbegründer des Grazer Forum Stadtpark sowie später der Grazer Autorenversammlung und generell als Entdecker und Förderer von Autoren prägte Alfred Kolleritsch ab den 1960ern lange und nachhaltig das literarische Leben Österreichs. Am Freitag ist er in Graz verstorben.

Geboren wurde Kolleritsch 1931 im südsteirischen Brunnsee, später studierte er in Graz u. a. Philosophie, Geschichte und Germanistik. Wie viele Autoren seiner Generation übte er neben dem Schreiben, mit dem er Ende der 1950er erstmals an die Öffentlichkeit trat, den Brotberuf des Lehrers aus. Den verfolgte er bis zur Pensionierung 1993, auch wenn sich in den Anfangsjahren Elternproteste wegen seiner literarischen Aktivitäten formierten. Bis zwei Jahre später blieb er Vorsitzender des Forum Stadtpark.
Nachhaltige Spontanaktion

1959 gegen einigen konservativen Widerstand gegründet, sollte es ein "selbstverwalteter Ort der Begegnung" werden. Selbige ermöglichte Kolleritsch auch mit den 1960 als dessen literarischer Flügel erstmals erschienenen "manuskripten". Sie nahmen ihren Ausgang in einer Spontanaktion. Beim Weißeln der Kellerwände des Forum Stadtpark am Abend vor dessen Eröffnung fiel Kolleritsch und seinen Kollegen Alois Hergouth und Barbara Frischmuth auf, dass die Literatur anders als die Leinwände der Maler hier keinen Platz hatte. Die Idee zu einem Heft war geboren und noch in derselben Nacht wurde die erste Ausgabe gedruckt.

Eine zweite Ausgabe war nicht geplant. Dennoch wurden die "manuskripte" in den vergangenen 60 Jahren eines der einflussreichsten heimischen Sprachrohre neuer und experimenteller Literatur. Hier meldeten sich erstmals Autoren wie Konrad Bayer und H.C. Artmann zu Wort, auch Wolfgang Bauer, Peter Handke oder Elfriede Jelinek veröffentlichten darin früh Texte. Kolleritsch prägte damit mehr als eine Generation und Graz wurde zu einem Zentrum der Avantgarde österreichischer Literatur. Inzwischen eigenständig, blieben die "manuskripte" stets für junge Autoren offen, wiewohl Kolleritsch vielen auch mit Feingefühl absagen konnte. Zuletzt erschien Heft Nummer 227. Auch im Alter arbeitete Kolleritsch noch in der Redaktion im Grazer Palais Attems, baute sich aber mit Andreas Unterweger einen Co-Herausgeber auf.
Gegen Faschismus

Der dreimal Verheiratete blieb immer neugierig nicht nur auf fremde Texte. Obwohl oder weil er laufend für die "manuskripte" schrieb, erschienen eigene Bücher aber erst vergleichsweise spät ab 1972. Schmal nimmt sich mit drei Bänden wie "Der Pfirsichtöter" und "Allemann" die Romanprosa aus. Konstanter veröffentlichte Kolleritsch Lyrik, zuletzt Anfang dieses Jahres "Die Nacht des Sehens". Besonders beschäftigte ihn schreibend der Kampf gegen Faschismus und verführtes Denken. Deshalb rüttelte er an Begriffen wie "Ordnung" und "Wahrheit". Bezwecken wollte er damit ein Infragestellen jeder Ideologie, egal ob links oder rechts, wie er 2016 in einem Interview mit dem STANDARD erklärte.

Er wurde vielfach ausgezeichnet. Dass sein eigenes Schreiben seit jeher weniger wahrgenommen wurde als sein Ermöglichen, nahm Kolleritsch nicht krumm. Er habe schon als Schüler, der nur die Heimatdichter kannte, "einmal einen Dichter kennenlernen" wollen. Die Gelegenheit bot sich ihm reichlich. Alfred Kolleritsch wurde 89 Jahre alt. (wurm, 29.5.2020)