Offener Brief betreffend Einreiseverbote für Künstler_innen

Offener Brief österreichischer Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen
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Sehr geehrte Frau Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner!
Sehr geehrter Herr Bundesminister Sebastian Kurz!
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Josef Ostermayer!

Wir, die Vertretungen von österreichischen Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen, sehen uns aus aktuellem Anlass gezwungen, abermals auf die rigide, diskriminierende österreichische Visa-Praxis hinzuweisen. Eine Praxis, durch die der grenzüberschreitende Kunst- und Kulturaustausch zu einem bürokratischen Hindernislauf wird, dessen Ausgang ungewiss und dessen Planung unmöglich ist. Auch im Fall des ägyptischen Autors Omar Hazek hieß es: Visum verweigert, Lesereise leider wieder abgesagt.

Omar Hazek sollte in Wien, Graz und Fresach vom 11. bis zum 15. November 2015 aus den Texten lesen, die er während seiner zweijährigen Haft – auf Grund der Teilnahme an einer Solidaritätsveranstaltung für den in Polizeigewahrsam zu Tode geprügelten Blogger Khalid Said in Alexandria – unter schwierigsten Bedingungen geschrieben hatte. Die Texte wurden in der „edition pen“ im österreichischen Löcker Verlag als Buch veröffentlicht. Das deutsche PEN-Zentrum hat Omar Hazek darüber hinaus eingeladen, das Buch am 20.11.2015 im Dresdner Literaturhaus in der Villa Augustin vorzustellen. Während also einerseits der Löcker-Verlag, der das Buch verlegt hat, für seine qualitativ hochwertige Verlagstätigkeit öffentliche Fördermittel durch das BKA erhält und also das Kulturressort die Tätigkeit des Löcker-Verlags unterstützt, hindern die für Visa-Fragen zuständigen Ressorts BMEIA und BMI den Verlag sowie den österreichischen PEN-Club daran, den von ihnen herausgegebenen Autor zu präsentieren.

Wir, die Vertretungen von österreichischen Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen, erinnern daran, dass sich Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet hat, Maßnahmen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Mobilität von Künstler/inne/n und Kulturschaffenden zu ergreifen. Diese Verpflichtung ist integraler Bestandteil der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005, die Österreich ratifiziert hat. Artikel 16 der Konvention fordert explizit, Kunst- und Kulturschaffenden aus Ländern des globalen Südens eine Vorzugsbehandlung zu gewähren und sie dabei zu unterstützen, ihre künstlerische Arbeit einem neuen Publikum vorzustellen, mit lokalen Künstler/inne/n zu kooperieren sowie bei uns künstlerisch tätig zu sein. Hierzu zählt auch, Visa-Antragsverfahren zu vereinfachen, Visa-Kosten zu senken und Visa-Bedingungen zu erleichtern.

Zehn Jahre nach Verabschiedung der Konvention müssen wir jedoch feststellen: Eine Verbesserung der Visa-Situation für Künstler/innen aus dem Nicht-EU-Raum ist nicht eingetreten. Im Gegenteil. Anstatt kulturellen Dialog und Austausch zu fördern wird dieser aufgrund von „Sicherheitsbedenken“ erschwert und verunmöglicht – ein vollkommen falsches Signal in Zeiten, in denen die Radikalisierung, Terrorismus und Fremdenfeindlichkeit zunehmen.

Aktuell wird über die Revision des EU-Visarechts verhandelt. Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Revision enthalten positive Ansatzpunkte, etwa die bessere Planbarkeit durch Vereinfachung und Verkürzung der Verfahren für Schengen-Visa und die Einführung eines spezifischen Rundreisevisums für Tourneen von Künstler/inne/n und Ensembles aus EU-Drittstaaten. Wir erwarten, dass diese positiven Ansätze von den verantwortlichen Stellen Österreichs pro-aktiv aufgegriffen, weitergeführt und umgesetzt werden – im Sinne des Artikels 16 der UNESCO Konvention.

Wir, die Vertretungen von österreichischen Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen, fordern die verantwortlichen Stellen dazu auf, ihren mit Beitritt zur UNESCO-Konvention eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und die bestehenden strukturellen Visa-Barrieren für den internationalen Kulturaustausch rasch und zielführend zu beseitigen.

Nicht ohne Grund stellt auch die UNESCO in einem aktuellen Bericht „slow progress and continuing impediments to the transnational mobility of artists“1)  fest und empfiehlt, die Zusammenarbeit mit Künster/inne/n und ihren Interessensvertretungen zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu stärken – ein Dialog, für den wir gerne zur Verfügung stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren 2)
Gabi Gerbasits, IG Kultur Österreich
Sabine Mitterecker, IG Freie Theaterarbeit
Sabine Kock, SMartAt – Genossenschaft zur Erleichterung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen und Kreativen
Kurt Brazda, Ehrenpräsident des Verbandes österreichischer Kameraleute AAC
Zuzana Brejcha, österreichische Vertreterin im European Council of Artists
Franz Schmidjell, VIDC / kulturen in bewegung
Jury Everhartz, Sirene Operntheater
Katrin Pröll, IG World Music Austria
Dr. Harald Huber, Österreichischer Musikrat
Maria Anna Kollmann, Dachverband der österreichischen Filmschaffenden
Werner Richter / Brigitte Rapp, IG Übersetzerinnen Übersetzer
Clemens Christl, Kulturrat Österreich
Daniela Koweindl, IG Bildende Kunst

Wien, 16. Dezember 2015